Unser kleiner Held

Eigentlich wollte ich diesem Thema gar keine eigene Kategorie widmen, aber nun habe ich mich doch dazu entschieden, da es unser bisheriges Leben doch ein Stück weit verändert hat und ich mir den ganzen Driss mal von der Seele schreiben muss…ist ne Menge geworden, aber hier wird ja niemand zum lesen gezwungen ;-)

 

Im Bereich Therapien und ihre Erfolge habe ich ja bereits darüber berichtet, das Justin so gute Fortschritte gemacht hat, gerade was das Laufen anbetraf. Er war so flott unterwegs, so das ich manchmal gar nicht hinter ihm her kam. Nur bei weiteren Strecken brauchte er ab und zu eine stützende Hand, der Rolli war eigentlich nur noch Transportmittel für den Rucksack. Sein Gangbild sah zwar urkomisch aus, aber das war egal, er lief wie ein Weltmeister.

Ich werde unsere Geschichte hier irgendwie in Kurzform schreiben, sonst kommen locker 6 Seiten zusammen.

Anfang 2011: Kontrolle beim Orthopäden im SPZ, Verdacht auf Hüftluxation (es besteht die Gefahr das der Hüftknochen aus der Hüftpfanne rutscht), Röntgenkontrolle bestätigte Befund, wir wussten um die Schwierigkeiten mit seiner Hüfte, Orthopäde riet uns zur OP bevor Knochen komplett aus der Hüftpfanne rutscht (das müssen höllische Schmerzen sein), nach langem Überlegen entschieden wir uns für die OP, bedeutet hohes Risiko, 6 Wochen Becken-Bein-Gips, anschließend Reha.

Suche nach  passender Klinik, Aschau wurde empfohlen, war zu weit weg, Alternative Uniklinik Aachen, Termin für Voruntersuchung gemacht, Beim Betreten der Klinik wurde mir mulmig (wer schon mal da war, weiß denke ich was ich meine), 2 Stunden gewartet, Ärztin will erst mal Röntgenbild, wieder 1 1/2 Stunden gewartet, Diagnose des Orthopäden bestätigt, aber jetzt auch beginnende Luxation rechts, Termin für OP geben lassen, ganz wohl war mir nicht, fühlte mich dort nicht wohl.

4 Tage vor OP wurde Justin krank, aber nicht wie gewohnt, sondern richtig krank. Kurzatmig, hohes Fieber, völlig apathisch. Kinderarzt wollte kein Antbiotikum wegen OP geben, woraufhin Justin Sonntags auf über 40 Fieber schoss, nichts mehr trinken wollte, nur noch an die Decke starrte. Wieder zum Kinderarzt, diesmal notfallmäßig zu einem anderen, war uns aus KH bekannt, verschrieb dann Antibiotika, mussten Termin in Aachen absagen, Gott sei Dank, nach Rücksprache mit Orthopäden stellte sich heraus, das Ärztin die er in Aachen empfohlen hatte, auf unbestimmte Zeit erkrankt war und die anderen Ärzte längst nicht ihre Erfahrung hatten.

Fazit: Wenn Mama nicht auf ihren Instinkt hört, hilft der kleine Mann halt nach :-)

Weiter geht’s:

Alternative Uniklinik Düsseldorf, Termin gemacht, hingefahren, diesmal weniger Wartezeit, gleiche Diagnose, aber Hüfte rechts scheint ok, Termin für Aufnahme und OP bekommen, Justin bleibt gesund, Aufnahme, Termin im Ganglabor, aufregende Sache (siehe Fotoalbum), erneutes Röntgen, Aufklärungsgespräch für OP, Anästhesiegespräch, Zusicherung der Klinik sich um Liegerolli und Reha nach der OP zu kümmern.

OP Tag, um 10 Uhr beginnt OP, um 14:30 kommt Anruf das ich mich auf den Weg in die Klinik machen kann, um 17:30 immer noch auf dem Zimmer gesessen und gewartet, zeitweise kurz vorm Nervenzusammenbruch, 18:00 Anruf kam auf Station ich könne runter in den Aufwachraum, runter gelaufen, erschrocken über den Zustand meines Kindes, Justin wacht auf, ich bin erstmal glücklich.

Durchgeführte Eingriffe: Hüftrekonstruktion links mit Acetabuloplastik, Intertrochantäre DVO, Ostepsynthese mit Winkelplatte, intramuskuläre Verlängerung iliopsoas li., intramuskuläre Verlängerung semitendinosus und membranosus li., OP nach Baumann beidseits, Arthorise re.

1 Tag nach OP, Justin findet den Gips doof, wusste ich vorher, Schwestern auf Station alle im Stress, Personalmangel?, Justin unzufrieden, ich im Spagat zwischen Arbeit und Klinik, viel Spielzeug an Gummibändern (damit nichts runterfallen kann) ans Bett getüddelt, LKW Ladung Batterien für´s Spielzeug mitgeschleppt, eigenes Essen mitgebracht damit Justin isst, Justin immer noch unzufrieden, konnte ich verstehen.

2 Tag nach OP, Justin weiterhin unzufrieden, isst immer noch nicht vernünftig, Schwestern wissen keinen Rat, schaffen es auch nicht Batterien im Spielzeug auszutauschen, Gott sei Dank hat Petra Zeit und fährt viel zu Justin, Justin ist immer noch unzufrieden

3 Tag nach OP, Petra ist wieder bei ihm, stellt fest das der Bauch hart ist, schaut in die Doku, stellt fest das keine Ausscheidungen eingetragen sind, fragt die Schwestern, die haben keine Ahnung, Petra veranlasst Einlauf, Einlauf wirkt, Justin ist zufrieden, Justin isst wieder

4 Tag nach OP, ich frag mal vorsichtig nach Liege-Rollstuhl, weiß keiner was von, wurde noch nicht beantragt, sollte das die Klinik machen?, wird beantragt, leihweise keiner da, also auf dem Zimmer bleiben, Justin wird langweilig, Justin darf sich nicht aufsetzen, interessiert ihn aber nicht, ständiges beaufsichtigen eigentlich erforderlich, nicht umsetzbar, Justin wechselt das Zimmer, kommt in die Nähe des Dienstzimmers, ändert auch nichts.

5 Tag nach OP, wir improvisieren, ein gespannter Verband übers Bett soll verhindern das er sich aufsetzt, funktioniert erstmal, Sozialdienst kommt, Reha wird beantragt.

6 Tag nach OP, frag nochmal Sicherheitshalber wegen Liegerollstuhl, immernoch nicht beantragt, ist wohl untergegangen, wird aber sofort erledigt, Telefoniere mit der Krankenkasse um a) auf den Liegerollstuhl vorzubereiten und b) ein normales Pflegebett für zuhause zu bestellen, der Gips wird geschalt, nur die Füße bleiben eingegipst, Hüfte und Beine liegen in einer Schale die mit Verbänden umwickelt wird, ob das gut geht?

Tag 7 nach der OP, Liegerolli ist beantragt, muss aber erst vom MDK geprüft werden, war klar, Bett wird morgen geliefert, Wohnung umräumen damit das Bett reinpasst, Physiotherapeutin zeigt mir wie ich Justin´s Beine bewegen soll und wie man die Verbände wieder anlegt, lerne den Gips zu händeln, Seitenlage, Bauchlage etc.

Tag 8 nach OP, Justin kommt nach Hause, wird mit Krankentransport gebracht, Mama fährt mit dem Auto hinterher, Petra fährt im Krankenwagen mit, Justin ist zufrieden, freut sich auf zuhause, Fahrer des Transport sind routiniert, tragen Justin im Nu mit geschickten Techniken in die Wohnung, 18:00 abends, stellen fest das Justins Füße ganz kalt sind, Klinik angerufen, der Gips an den Füßen wurde vor Entlassung nochmal erneuert, zu eng?, Leistelle der Feuerwehr angerufen, Transport bestellt, Transport kommt, Fahrer schockiert, kriegt Justin nicht ins Auto, muss Fahrzeug wechseln, großer Rettungswagen kommt, Nachbarn alle am Fenster, Justin hat dank Gips Überbreite und muss schräg durch Treppenhaus, man merkt Fahrer des Transports nicht so routiniert wie Uniklinik-Mitarbeiter ;-), kommen beide ins schwitzen, Petra fährt im RTW mit, Mama fährt mit dem Auto hinterher, Mama beherrscht die Strecke mittlerweile im Schlaf, Düsseldorf ist nicht begeistert, öffnen den Gips, man sieht leichte Druckstellen, Gips wird nachgearbeitet, wir fahren wieder nach Hause, Nacht war mies, Justin findet den Gips immer noch doof, versucht ständig sich hinzusetzen, rupft an den Verbänden, kommt nicht zur Ruhe, Mama auch nicht.

 

Zwischenfazit: Ich wusste das es anstrengend wird, aber nach der zweiten Nacht ohne Schlaf, musste auch ich mir was einfallen lassen.

1. Woche zuhause:

Rücksprache mit dem Kinderarzt, anderes Schmerzmittel und Beruhigungsmittel bekommen, Bett abends vom Wohnzimmer in die Küche geschoben damit er mehr Ruhe hat, Spanngurte am Bett angebracht damit er sich nicht hinsetzen kann, funktioniert.

Justin ist immer noch quängelig, isst nicht, stellen fest: hat übelste Verstopfung, danke Stationspersonal, Petra organisiert Einlauf, ums mal festzuhalten: Windelträger in einem Becken-Bein-Gips ist nicht die beste Kombination, legen das Bett mit Müllsäcken aus, bewaffnen uns mit Handschuhen und Tüchern, Justin ist erleichtert, lass mir vom Kinderarzt Movicol verschreiben, Problem Nr. 1 gelöst.

Telefoniere mit der Krankenkasse zwecks Liegerolli, ist in Arbeit. Überlege mir jeden Tag neue Spielideen für den Tag, aber Justin will tagsüber lieber schlafen und nachts spielen, passe meinen Rhythmus an Justin an.

Situation spielt sich langsam ein, Justin isst wieder vernünftig, Schmerzmittel brauchen wir nicht mehr, Physiotherapeut aus der Schule kommt zum Hausbesuch, Justin findet die Gymnastik blöd, genießt aber das eincremen der Beine danach, Narben heilen gut.

2. Woche zuhause:

Es klappt alles immer besser, Justin versucht aber immernoch sich hinzusetzen, Spanngurt hält ihn kaum auf, ich muss aufpassen, Physiotherapie wird mittlerweile toleriert, Essen klappt im liegen prima, Verdauung funktioniert auch, waschen im Bett findet er auch gemütlich.

Telefonat mit der Krankenkasse wegen dem Liegerolli, immernoch kein Bescheid vom MDK, ich werde wütend, mach der Sachbearbeiterin unsere Situation klar, sie hat Verständnis, ändert aber nichts. Ich frage zu Ablenkung nach der Reha, auch hier liegts noch beim MDK, ich verzweifel.

Weihnachten steht vor der Tür, feiern wollten wir bei den Schwiegereltern, ohne Rolli kein Transport, Justin bräuchte generell auch mal frische Luft.

 

3. Woche zuhause

Situation unverändert, nicht optimal, aber ok.

Telefoniere mit der Krankenkasse, Liegerolli genehmigt, rufe beim Sanitätshaus an, muss erst bestellt werden, kann eine Woche dauern, sie rufen an, ich glaub das nicht, wir planen schonmal Weihnachten um, alles verlegt zu uns, notfalls wird gestapelt, Sanitätshaus ruft an, Liegerolli wird am 23.12. geliefert, Liegerolli kommt, Justin findet den Liegerolli doof, mir ist alles egal, Telefoniere mit der Krankenkasse zwecks Reha-Zusage, Platz wäre ab 29.12. frei, immernoch kein Bescheid, ich nehme die Sache selbst in die Hand, telefoniere mit furchtbar unfreundlicher Dame beim MDK, sie verstehen nicht warum ein Kind was sowieso im Rollstuhl sitzt eine Reha braucht, ich gehe durch die Decke, kläre die furchtbar unfreundliche Dame auf, sie lehnen die Reha trotzdem ab, ich schreibe zeitgleich Widerspruch an die Krankenkasse, kläre gleichzeitig die Sachbearbeiterin der Krankenkasse über Justin´s Zustand auf, sie prüfen neu, im Eilverfahren, Reha ist bewilligt.

Wir genießen Weihnachten, am 27.12. kommt Justin zurück in die Uniklinik zur Gipskontrolle und Hilfsmittelanpassung (Nachtlagerungsschiene), am 29.12. wird er nach Meerbusch in die Reha verlegt.

 

29.12.2011 Ankunft in der Reha

22.03.2012 Entlassung aus der Reha

In der Zwischenzeit: Rehaziel in meinen Augen nicht erreicht, Justin verlässt die Rehaklinik im Rollstuhl, kann nur wenige Schritte mit Hilfe gehen, alleine gar nicht, Therapien in der Reha ok, Stationspersonal sehr nett, aber inkompetent, selbst als Justin seine Beine wieder voll belasten durfte hat man ihn nicht aus dem Rollstuhl genommen, Bequemlichkeit, egal wann ich dort auflief, Justin saß im Rolli, bin mit ihm raus gegangen, hab ihn an der Hand laufen lassen, hab ihn krabbeln lassen, es klappte, bin mit ihm über die Station gelaufen, einige Schwestern schauten verdutzt, hatten scheinbar die Doku nicht ordentlich gelesen, wussten gar nicht das Justin mal alleine laufen konnte, ich war enttäuscht.

 

Würde mich heute nochmal jemand fragen, ich würde ihn nicht operieren lassen, ich würde warten bis es wirklich nicht mehr anders geht und es gemacht werden muss. Nichts von dem was die OP bringen sollte ist eingetreten, der Spitzfuß ist weiterhin extrem, die Sehnen sind wieder verkürzt, die Innenrotation des linken Knies ist meiner Meinung nach noch schlimmer, nur die Knochen auf dem Röntgenbild sitzen wieder ungefähr da wo sie hin sollen.

Justin berappelt sich zwar langsam wieder, aber das linke Bein benutzt er weiterhin nur in Schon-Haltung, es ist durch die OP 4 cm kürzer als das rechte, wir haben versucht das mit einer Erhöhung auszugleichen, aber dann verliert er das Gleichgewicht, also haben wir ihm nur die Hälfte an Erhöhung verpasst. ich bin mir nicht sicher ob er, was das Laufen angeht, nochmal dahin kommt wo er einmal war. Natürlich gebe ich auch hier die Hoffnung nicht auf, aber es ist schwierig daran zu glauben.

Im April 2013 haben wir einen Kontrolltermin in Düsseldorf, der erste nach der Reha, erst Ganglabor, dann Röntgen und danach Gespräch mit der Ärztin, ich bin gespannt was sie zu dem Ergebnis sagt...Ich habe noch die Hoffnung, das es, wenn das Metall das sich noch in der Hüfte befindet, entfernt wird, wieder etwas besser wird.

 

Ich werde berichten…